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Roots & Culture - diese im Reggae-Kontext so oft benutzten und zumeist afro-zentristisch gemeinten Wertebegriffe haben auch in Polen einen ganz besonderen Stellenwert. Stehen sie doch vor dem Hintergrund der oft leidvollen Geschichte in den letzten Jahrhunderten für eine Besinnung auf kulturelle Wurzeln als Widerstandshandlung gegen jeweilige Unterdrücker oder Besatzer und den Versuch eines kulturell widerständigen Überlebens.
In den heutigen Umgang mit überlieferten Musikkulturen und dessen Vielfalt will nun Polska Rootz einen ersten umfassenden Einblick geben, wobei zum eigenen Erbe noch allerlei Kultur-Material tritt, das man sich offensiv angeeignet, das heißt zu eigenem gemacht hat - zu quasi neuen Traditionen, neuen Roots. So verschmelzen die Sounds des Hier&Jetzt mit unterschiedlich tradierten Klangformen, die ein zeitgenössisches Gewand bekommen und neue Kulturwurzel-Zugänglichkeiten für jüngere Generationen schaffen, während zugleich eine Vermengung mit anderen welt-musikalischen Einflüssen hörbar wird, aus der frische Bastard-Formen erwachsen und sich in den globalisierten Klangkosmos einbringen.
Dass dies bereits lange Vorgeschichten hat, steht dabei außer Frage: die Entwicklung einer eigenen polnischen Tango-Spielart beispielsweise oder der polnische Jazz, der sich zu Hochzeiten von Fusion-Jazz in den Siebzigern schon mit Folk- oder gar damals noch nicht so genannter „Weltmusik“ auseinandersetzte. Man höre nur Zbigniew Namyslowski´s „Kujaviak goes Funky“-Album von 1975 oder sich damals formierende Bands wie Ossian oder Atman.
Polska Rootz allerdings setzt eher Ende der Siebziger an, als Reggae und Dub bereits bei den ersten polnischen Punkbands einen großen Eindruck hinterließen, der sich vor allem bei stilistisch offenen Bands wie Kryzys und Brygada Kryzys zeigte und ab Anfang der Achtziger zur Ausbildung einer ganz eigenständigen polnischen Reggae-Szene führte – der einzigen hinter dem Eisernen Vorhang. Oder als der mit einem Kanu über die Ostsee geflüchtete Musiker Andrzej Dziubek Nebb 1981 in Norwegen mit seiner Band De Press erstmals die Lieder der polnischen Bergregionen mit Post Punk aufmischte.
Aus dieser experimentierfreudigen und für Einflüsse offenen Situation sich ableitend entwickelte sich über die Achtziger und Neunziger hinweg jene Vielfalt, die auf Polski Rootz zum Tragen kommt und die getreu der "Polski Punky Reggae" - Tradition oft den Spass an der Musik mit einem sozialen und politischen Bewusstsein verbindet. Dies zeigt sich, wenn zum Beispiel Masala (Soundsystem), die sich hauptsächlich mit asiatisch-orientalischen Klängen und deren moderner Einbindung beschäftigen, einen Song der aus den frühen Achtzigern stammenden Polit-Punk-Band Dezerter als Drum´n´Bass-Track adaptieren und die Sängerinnen der für ihren Umgang mit slawischer Musiktradition mittlerweile international wertgeschätzten Warsaw Village Band dessen Text intonieren. Oder wenn die Band Habakuk den berühmten Song „Mury“ von Jacek Kaczmarski, eine Art Hymne des Widerstands gegen das System in den Achtzigern, als groovendes Reggae-Stück performen (das sie live gern mit „Get Up, Stand Up“ vermischen, jenem anti-babylonischen Klangmeilenstein von Peter Tosh und Bob Marley, den wiederum die Gdansker Punkband Deadlock schon 1980 aufgriff und in die aufgeladene Situation in Polen einspeiste, kurz bevor sich in der Gdansker Lenin-Werft die Solidarność formierte ...).
Polska Rootz steht für Vermischung, für unpuristische Weiterentwicklung, beat-getriebene Bastardisierung und sound-fixierte Hybridisierung, die aber mit fundiertem Wissen um und hoher Wertschätzung für die Herkunft der jeweiligen Klangquellen arbeitet. Da mixen sich Reggae und Dub mit dem Tatra-Folk der goralischen Musikerfamilie Trebunie Tutki beim Zusammentreffen mit den Jamaikanern der Twinkle Brothers, zu dem zur Krönung noch On-U-Sound-Mastermind Adrian Sherwood klangveredelnd beiträgt. Gegen alle Klischees gebürsteter Klezmer erklingt als improvisierte Strassenmusik mit meisterhaftem Scratching bei Meritum und entspannter Ambient-Dub mit arabischer Note gibt dem Gesang der Pop-Ikone Kayah eine neue Wirkung ... – und da sind noch viele Mischformen mehr. Hörbar wird eine lebendige Szene, die sich vor internationalen Vergleichen definitiv nicht zu scheuen braucht – gerade weil sie neben aktuellen Beats und gekonntem Songwriting einen spezifischen Zugang zum historischen Material, zu den eigenen und angeeigneten Traditionen geschaffen hat und diese so ins 21.Jahrhundert überführt. Sounds mit Kontext, die sowohl auf dem Dancefloor funktionieren als auch beim konzentrierten Zuhören immer wieder spannende Details offerieren.
Tracklist
Track 1
Track 2
Track 3
Track 4
Track 5
Track 6
Track 7
Track 8
Track 9
Track 10
Track 11
Track 12
Track 13
Track 14
Track 15
Track 16