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Tindersticks – der Name steht vielen für Rotwein durchtränkte Nächte voller Lust, Leid, Sinnlichkeit sowie unzähligen Zigaretten in schummrigen Zimmern. Bereits vor knapp zwei Jahren war die Welt voll des Lobes über die kreative Rückkehr der lieb gewonnenen Briten. Wer die Platte als Widerauferstehung empfunden hat, darf nun getrost die Rückeroberung der Krone des gepflegt dekadenten Weltschmerzes feiern.
"Falling Down A Mountain" führt die Sticks mit berauschender Romantik, Frohsinn und tiefster Verzweiflung genau auf jene Gipfel, die sie bereits mit den ersten drei Alben erklommen. Schon das ausdruckstarke Cover von Suzanne Osborne lockt mit dunkel glühender Intensität. Das Titelstück lockt mit archaischen Rhythmen in fiebrige Voodoosümpfe. Eine dem Wahnsinn verfallene Miles-Trompete heult einsam den Mond an. Macht süchtig nach der Repeat-Taste.
Stuart Ashton Staples gibt sein Alter Ego – den gebrochenen und stets leicht angetrunkenen Bohemien – mit heruntergekommenem Weltschmerz. Sein Gesang ist noch vernuschelter und klingt mittlerweile, als habe der englische Wahlfranzose konstant einen vollen Aschenbecher im Mund. Doch es geht noch absurder: "She Rode Me Down" vollbringt tatsächlich die schier unmögliche Vereinigung von morriconehaftem Mariachi-Song und dem blasierten Upperclass Akzent des singenden Dandys.
Bei "Peanuts" hingegen ist alles Theatralische verschwunden. In dieser unwiderstehlich zarten Schnulze schmachten Staples und Duettpartnerin Mary Margaret O'Hara einander an und erklären der Welt in verblüffend einfachen Worten nicht weniger als das Geheimnis der Liebe. Der Spannungsbogen gerät wie gewohnt zerklüftet und exzentrisch. Die zweite Hälfte des Albums eröffnet das Trio mit einem der deprimierendsten Instrumentals, die man sich vorstellen kann; der Friedhofs-Ode "Hubbard Hills".
Dann der Kontrast: Das ohrwurmige "Black Smoke" glänzt mit frischem Sixties-Drive, und die Twang-Gitarren samt Kneipenorgel in "No Place So Alone" grenzen für Tindersticks Verhältnisse schon an Surfrock. Doch der Höhepunkt steht noch aus, nämlich die Ballade gewordene Melancholie namens "Factory Girls". So inbrünstig hat Staples seit Übersongs wie "Tiny Tears" oder "The Not Knowing" nicht mehr mit der Verzweiflung gerungen. Ungemein ausdrucksvoll, wie sich das Lied von zerbrechlicher Nocturne über resigniertes Grämen zum hinkend fordernden Walzer steigert.
Die Platte im Ergebnis als vielseitig zu bezeichnen, wäre sicherlich eine Untertreibung. Doch das Fehlen einer klaren Genreschublade stört nicht länger. Die Band hat nach 20 Jahren endlich jegliche kompositorische Verkrampftheit hinter sich gelassen. Wer mit dem sehr speziellen Charme dieser Gruppe noch nie etwas anfangen konnte, wird wohl auch diesmal nicht zum Fan mutieren. Wer jedoch die besten Tindersticks seit "Curtains" aus den Jahr 1997 hören möchte, sollte dringend mehr als nur ein Ohr riskieren.
Review von Ulf Kubanke
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Details
Release Date
17.02.2012
Cat No
SLANG 50015