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Esbjörn Svensson stand heuer nicht zu ersten Mal in Montreux auf der Bühne. Bereits im Sommer 1998 war er auf dem Jazzfestival am Genfer See zu Gast, damals noch als Teil der Nils Landgren Funk Unit. Sein Klavier hatte er zugunsten des Fender Rhodes in Schweden gelassen. Das Gespür für die passenden Töne im richtigen Moment jedoch half mit verschmitzter Leichtigkeit, daß das Konzert seines Landsmanns an der Posaune ein Erfolg wurde. Viel Applaus, reichlich Lob und eine erfrischend unmittelbare Jazz-Funk-CD waren der Lohn der Anstrengung (Nils Landgren Funk Unit: Live in Montreux , ACT 9265-2).
Die pointierte Arbeit im Line-Up ist nur eine Seite von Svenssons Talent. Denn der 1964 im schwedischen Städtchen Västeras geborene Pianist und Komponist gehört zu den selten gewordenen Stilisten des modernen Jazz-Klaviers. Mit der Neugier des musikalischen Fährtensuchers gräbt er sich in den Berg der Überlieferung und sortiert die klingenden Bruchstücke nach Prägnanz und Witz. Manches Motiv scheint bekannt, manche Wendung geläufig und dennoch wirkt seine Musik individuell, zuweilen verschroben, emotional, impulsiv. Svensson deutet nur an, schlägt Brücken zu den Vorbildern von Bill Evans bis Keith Jarrett, um sie als Inventar einer modifizierten Formensprache der Improvisation nützen zu können. Der Rest bleibt Intuition auf der Basis solider musikalischer Analytik, die seine Klangwelt kompakt und eigenständig sich entwickeln läßt.
Svensson hat Spaß am Experiment im Detail. Er hat außerdem das Glück, mit einem Trio arbeiten zu können, das seine Begeisterung für die Nebenlinien der Normativität teilt. Mit dem Schlagzeuger und Kindergartenfreund Magnus Öström hat er bereits in Jugendjahren ausgiebig am Idiom der Rockmusik gefeilt und sich eine symbiotische Sicherheit im Zusammenspiel erarbeitet. Er gehörte daher auch zur Urbesetzung des 1990 gegründeten Esbjörn Svensson Trios (EST), dem sich drei Jahre darauf der Kontrabassist Dan Berglund anschloß. Mehr als bei vielen anderen Jazz-Formationen nützen die Musiker seitdem die Chance der ähnlichen Vorlieben und fusionieren ihre persönlichen Qualitäten zu einer stimmigen Gesamterscheinung. Diese Kraft der Working Band verleiht ihnen eine Selbstverständlichkeit im Auftreten jenseits der Makulatur der Lässigkeit. Denn das EST glänzt durch Konzentration, Präzision und vor allem durch die Verve des gemeinsamen ästhetischen Entwurfs. Jazz wird wieder zum Versuchsaufbau, der Nebenlinien und Neuerungen, Irrwege und Erfolge zuläßt.
So fand der Pianist sich im Juli 1999 in Montreux wieder, diesmal als Leiter seiner eigenen Band. Zu nachtschlafener Zeit, als die meisten Kollegen sich schon bei Cocktails an der Bar tummelten, stiegen Svensson, Berglund und Öström auf die Bühne und schafften es, wie schon Wochen zuvor auf dem Jazz-Baltica Festival in Salzau, binnen weniger Momente, die Menschen in der Miles Davis Hall an sich zu binden. Mit dem Material ihrer aktuellen CD From Gagarins Point Of View (ACT 9005-2) im Gepäck, luden sie die Nachtschwärmer in ein reizvoll farbiges Klangspektrum zwischen Groove und Moderne, Versenkung und Freiheit, Harmonie und Kontrast. Begeisterungsstürme auch hier und trotz fortgeschrittener Stunde.
Der Live-Erfolg und die enorme Medienresonanz auf die Veröffentlichung von From Gagarins Point Of View bestärkte ACT darin, nun auch ein früheres Album des EST international zugänglich zu machen. Bereits 1997 entstanden, ist Winter In Venice (ACT 9007-2) nach When Everyone Has Gone (Dragon, 1993), Mr & Mrs Handkerchief (Prophone, 1995) und EST plays Monk (BMG, 1997) die vierte CD der Band und zugleich die erste, bei der sich das eigenständige Profil der drei Musiker in seiner aktuellen Form entfaltet. Die 13 eigenen Kompositionen präsentieren sie als sensible Meister der Kommunikation, die mit dem Hang zur schlichten, schönen Melodie komplexe Motivnetzwerke entwickeln. Mal balladesk, mal fröhlich swingend, gestaltet Winter In Venice ein lebendiges Tongemälde, das dem suggestiven Titel zum Trotz wenig mit der morbiden Stimmung im Venedig der dunklen Jahreszeit zu tun hat. Es bekam 1998 den Schwedischen Grammy als bestes Jazz-Album des Jahres verliehen und verhalf Svensson obendrein zum Titel des Songwriter Of The Year. Und es ist wie From Gagarins Point Of View eine Sammlung kammerjazziger Rhapsodien, die in sich und als Gesamtheit viel Raum für Entdeckungen und Assoziationen lassen.
Besetzung
Esbjörn Svensson - Grand Piano, Keyboards, Percussion
Dan Berglund - Doublebass, Percussion
Magnus Öström - Drums, Percussion
Aufnahmedetails
Recorded by Johan Ekelund and Åke Linton at Emi Studios on August 20 - 22, 1997